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Wenn  eine Linie aufhört,  zeigt sich irgendwo anders eine Neue  ©AC

Portrait foto Atelier 2020.jpg

​Als Kind gehörte es zu meinen grössten Freuden, draussen zu spielen. Ich liebte es, die Tiere im Zoo zu beobachten. Ihre Geräusche, ihre Formen, ihre Bewegungen, ihre Farben. Als Erwachsene, kritzelte ich Fantasieformen auf die Rückseite von Notizblöcken, wenn ich bei meiner Arbeit als Telefonistin eine Pause machte.

1996  Stets auf Reisen verspürte ich den Drang, Bleistifte und Papier mitzunehmen. Während ich auf den nächsten Zug wartete, skizzierte ich alles, was ich um mich herum sah.  Ich besuchte Malkurse. Unter der Leitung von Sirpa Suhner lernte ich die anthroposophische Malerei mit Aquarellfarben kennen.

 

Im Jahr 2000 beschloss ich, ein zwei Meter hohes Malbrett an der Küchenwand zu befestigen. Darauf befestigte ich ein grosses weisses Blatt Papier. Diese Fläche wurde zu meinem Resonanzboden. Meine ersten Improvisationen zeigten Chaos. Ich war erschrocken über das, was ich sah. Ich entdeckte meine Gefühle, die ich so lange vergraben hatte.

Mit der Malerei bot ich ihnen eine Möglichkeit, zum Vorschein zu kommen und sich auszudrücken. Etwas  begann in mir zu atmen, sich zu bewegen und zu entspannen. Der innere Nebel lichtete sich.

« Ein leeres weisses Blatt vor mir. Ich suche die Mitte, setze einen Punkt. Aus dem Punkt springt eine Linie raus. Sie erkundet das Blatt, geht auf Reisen, dehnt sich aus. Ganz nah, erscheint eine zweite Linie. Sie treffen sich, trennen sich, kommen zurück.« 

 

Nach ein paar Monaten legte ich den Pinsel beiseite, weil ich mich anders ausdrücken wollte. Die früheren Papiere fühlten sich zu groß an. Ich entschied, mich auf einem kleineren Format auszudrücken.

 

Während meiner Ausbildung zur Maltherapeutin IAC tauchten wir Schüler in die Welt der Farben, Formen und Gefühle ein. Wir probierten verschiedenes aus und hatten Aufgaben zu lösen. Wir öffneten unsere Herzen und hinterließen ungewöhnliche, bunte Bilder an den Malwänden. Im ersten Schuljahr wurden wir aufgefordert, täglich kreativ tätig zu sein. Ich nutzte diese Gelegenheit, um weiter mit Linien zu experimentieren.

 

Im Jahr 2005 eröffnete ich mein eigenes Kunstatelier, wo mich Jung und Alt besuchten. Einige von ihnen entdeckten den Künstler in sich. Andere verarbeiteten ihre Geschichten, andere suchten Trost im Zeichnen und Malen, als sie von schweren Krankheiten heimgesucht wurden, und wieder andere kamen nur zum Spaß hierher, um sich selbst zu sein und gelegentlich mit dem Vorurteil "Ich kann nicht malen" oder "Du kannst nicht malen" aufzuräumen.  Ja, es gehört Mut dazu, etwas Neues auszuprobieren. Ich habe mit Freude beobachtet, wie viele junge und ältere Menschen nach ein, zwei Stunden kreativer Arbeit mit einem Lächeln aus dem Atelier gingen.

Während eines sechsmonatigen Praktikums in der kunsttherapeutischen Abteilung des SPZ in Nottwil, Schweiz, erlebte ich aus erster Hand, wie heilsam und unterstützend das Malen für Menschen mit eingeschränkter Mobilität sein kann. Ein Tetraplegiker im Rollstuhl konnte nach der ersten Sitzung  und dem Zeichnen von Linien mit Hilfsmitteln wieder einen Finger spüren.

 

2013 betreute ich sehbehinderte Senioren in einem Heim. Die Themen Licht und Schatten waren täglich präsent. Durch meine Augen erlebten diese Menschen, was sie selbst nicht sehen konnten, und ich erlebte mit ihnen die feinen Nuancen des Sehens und Nichtsehens.

2018 brachte einen Wendepunkt. Farben fanden ihren Platz in meinen linearen Zeichnungen.

 

2019 benützte ich einfache Linien, um Porträts zu zeichnen. Das Jahr war geprägt von inneren und äußeren Veränderungen. Um mich abzulenken, beobachtete ich die verschiedenen Vögel in meinem Garten. Ich fragte mich, woher sie kamen und wohin sie gingen. Die unterschiedlichen Vogelstimmen berühren meine Seele. Ihre Flügel arbeiten hart, um mit dem Wind zu fliegen. Mut und Kraft werden von ihnen verlangt. Ich nahm dies in mein Leben auf.

 

2020 Alle Menschen sind den Einschränkungen der Pandemie unterworfen. Ich trotzte die Einsamkeit. Covid zwang mich, meine Angst vor der Technik zu überwinden, und ich begann, via Zoom Workshops zum Thema Lineares Zeichnen zu geben.

 

Im gleichen Jahr entdecke ich das Fotografieren und jongliere mit meinem kleinen Iphone durch die Gegend. Eine innere Stimme flüstert: "Hey, schau dorthin". Ich drehe mich um und drücke auf den Knopf. Was für eine Überraschung jedes Mal!

 

Ich zeige meine Kunst während 2 Jahre auf Instagram, teile darin täglich ein Neues Kunstwerk und lerne hiermit meine Medienscheue zu überwinden. Zusammen mit einer befreundeten Künstlerin lese ich jeden Tag aus dem Buch  «Der Weg des Künstlers» von Julia Cameron. Wir tauschen uns aus und verstehen nun die Wichtigkeit sich als Künstler zu zeigen. Nach dem Tod meines Vaters, sehne ich mich nach mehr Musik  und lerne Gitarre zu spielen. 

 

2022 experimentiere ich mit Wall Art. Bilder erscheinen in mir, nach dem Zeichnen von langen, farbigen Linien auf  braunem Packpapier.

Wenn ich nachts aufwache und nicht schlafen kann, setze ich mich hin und schreibe Kurzgeschichten die mit  "Es war einmal..." anfangen.

 

2023 Ich lerne einen Poeten kennen, Diese Begegnung inspiriert mich, Morgens wenn alles sich im Kopf dreht und meine Gefühle unklar sind, nehme ich ein Kugelschreiber in die Hand  und verarbeite meine innere Welt mit Hilfe von Gedichten.  Schreiben hat etwas magisches an sich. 

 

Wenn ich Mal frei habe von der Arbeit, und in mir die Ruhe zurückkehrt, tauchen oft unerwartet neue Ideen in mir auf. Ich notiere sie gleich auf ein Blatt Papier, um sie nicht zu verlieren und wenn die Zeit reif ist, sie mit der Welt zu teilen.

 

Das alles geschieht, wenn ich loslasse und alle Erwartungen fallen lasse.

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